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Dem Oberbürgermeister der Stadt Regensburg wird Bestechlichkeit in zwei Fällen vorgeworfen, davon in einem Fall in Tateinheit mit zwei wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen, sowie Vorteilsannahme und fünf Verstöße gegen das Parteiengesetz. Einem Unternehmer aus der Wohnungsbaubranche wird spiegelbildlich Bestechung in zwei Fällen und Vorteilsgewährung zur Last gelegt sowie die mittäterschaftliche Beteiligung an den beiden wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen und den fünf Verstößen gegen das Parteiengesetz. Ein ehemaliger Angestellter des Unternehmers wird angeschuldigt, Mittäter einer Bestechung in Tateinheit mit zwei wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen und Gehilfe bei den Verstößen gegen das Parteiengesetz gewesen zu sein. Schließlich liegt dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD im Regensburger Stadtrat zur Last, Gehilfe bei einer Bestechlichkeit des Oberbürgermeisters und Mittäter bei den beiden wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen gewesen zu sein.


1. Vergabe des Nibelungenkasernenareals
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft besteht der für eine Anklageerhebung hinreichende Verdacht, dass der Oberbürgermeister bei der Vergabe des ehemaligen Areals der Nibelungenkaserne im Oktober 2014 das Wohnungsbauunternehmen des Mitangeschuldigten bewusst in pflichtwidriger Weise bevorzugt hat. Dadurch soll er seinen Teil der Unrechtsvereinbarung erfüllt haben, auf deren Basis der mitangeschuldigte Unternehmer – über die bereits geleisteten Zuwendungen hinaus – Ende 2013/Anfang 2014 Spenden von insgesamt 500.000 EUR sowie die weitere finanzielle Unterstützung des Fußballvereins SSV Jahn Regensburg in Aussicht gestellt haben soll. Ferner soll der Oberbürgermeister geldwerte Vorteile für sich und ihm nahestehende Personen in Höhe von rund 120.000 EUR von dem mitangeschuldigten Unternehmer erhalten haben.
Der Oberbürgermeister ist seit 1. Mai 2014 im Amt. Zuvor war er seit 2008 unun-terbrochen 3. Bürgermeister der Stadt Regensburg. Die Stadt Regensburg hat im April 2011 das Grundstück der ehemaligen Nibelungenkaserne mit einer Fläche von 35 Hektar von der Bundesrepublik Deutschland erworben. Von September 2011 bis März 2016 spendete der mitangeschuldigte Unternehmer – so der Tatverdacht – insgesamt rund 475.000 EUR an den vom Oberbürgermeister geführten SPD-Ortsverein Regensburg Stadtsüden, der im Oktober 2012 mit der organisatorischen und finanziellen Abwicklung des anstehenden Kommunalwahlkampfes beauftragt worden war. Die Zahlungen – so der Tatverdacht – erfolgten in 48 Einzelbeträgen über 9.900 EUR, wobei neben dem angeschuldigten Unternehmer, seiner Firma und dem mitangeschuldigten ehemaligen Angestellten neun weitere Personen aus dem beruflichen und persönlichen Umfeld nach außen hin als Spender auftraten, um die Herkunft der Gelder zu verschleiern und die Veröffentlichungsgrenze von 10.000 EUR nach § 25 Absatz 3 Parteiengesetz zu unterschreiten. Soweit es sich – so der Tatverdacht – bei den „Strohmännern“, die als Spender auftraten, um Angestellte des Unternehmens des Mitangeschuldigten handelte, wurde ihnen der Spendenbetrag als Lohnzahlung zur Verfügung gestellt. Dieses Spendensystem soll der mitangeschuldigte ehemalige Angestellte im Auftrag des Unternehmers organisiert haben.
Der Oberbürgermeister ist seit Juni 2014 Mitglied des Aufsichtsrats des Fußball-vereins SSV Jahn Regensburg e.V., dem er schon seit Oktober 2009 angehört. Der Verein und dessen ausgegliederte Profifußballabteilung waren zeitweise in finanziellen Schwierigkeiten. Sechs Tage nachdem der Regensburger Stadtrat über die Vergabe des Nibelungenkasernenareals zugunsten des angeschuldigten Unternehmers entschieden hatte, beschloss die Gesellschafterversammlung des SSV Jahn Regensburg GmbH & Co. KG eine Kapitalerhöhung, die der angeschul-digte Unternehmer im Dezember 2014 mit 1.200.000 EUR, im Mai 2015 mit 500.000 EUR und im Dezember 2015 mit 1.100.000 EUR verwirklichte. Diese Zuwendungen soll der angeschuldigte Unternehmer für den Zuschlag beim Kasernenareal in Aussicht gestellt und geleistet haben.
Ferner soll der angeschuldigte Unternehmer bei dem Verkauf zweier Eigentums-wohnungen in den Jahren 2012 und 2015 an Personen, die dem Oberbürgermeister nahestehen, Nachlässe von rund 53.000 EUR und rund 47.000 EUR gewährt haben und im Jahr 2012/2013 sowie 2015 die Kosten für die Renovierung eines im Miteigentum des Oberbürgermeister stehenden Hauses und einer Mietwohnung des Oberbürgermeisters in Höhe von rund 18.000 EUR übernommen haben. Auch diese Zuwendungen soll der Oberbürgermeister für seinen Einsatz zugunsten des Unternehmers bei der Vergabe des Kasernenareals erhalten haben.
Im Gegensatz zur Vorteilsannahme verlangt der Tatbestand der Bestechlichkeit eine pflichtwidrige Handlung des Amtsträgers. Diese soll der Oberbürgermeister dadurch begangen haben, dass er seinen Einfluss in der Stadtverwaltung und im Stadtrat einseitig zugunsten des angeschuldigten Unternehmers ausübte und so eine objektive Befassung des Stadtrats mit anderen Mitbewerbern und damit eine ermessensfehlerfreie Vergabeentscheidung verhinderte. Auch soll er zusammen mit dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden dem Unternehmer bereits im Dezember 2013 verwaltungsinterne Vergabekriterien für die Ausschreibung des Kasernenareals übermittelt haben. Nachdem das Unternehmen des Mitangeschuldigten aus dieser ersten Ausschreibung gleichwohl nicht als Sieger hervorging, soll er bereits am Tag nach seiner Amtsübernahme die Verwaltung darüber informiert haben, dass die Politik eine neue Ausschreibung für die Vergabe des Nibelungenkasernenareals wolle. Im Zusammenspiel mit dem mitangeschuldigten ehemaligen Fraktionsvorsitzenden soll der Oberbürgermeister sodann eine zweite – auf das Unternehmen des Mitangeschuldigten zugeschnittene – Ausschreibung in den Stadtrat eingebracht haben, die dort im Juli 2014 auch beschlossen wurde. Dabei war weder den anderen Mitgliedern des Stadtrats noch der Stadtverwaltung bewusst, dass die Ausschreibung nach den Vorgaben des angeschuldigten Unternehmers erstellt worden war. So soll der ehemalige Fraktionsvorsitzende im Juni 2014 den Entwurf der Ausschreibung an den Unternehmer versandt haben, mit der Aufforderung, Änderungswünsche in Rot einzutragen, was auch geschehen sein soll. Nach Ende des Ausschreibungsverfahrens fanden zwei Besprechungen mit den Fraktionsvorsitzenden des Stadtrats sowie Mitarbeitern der Stadtverwaltung zur Vorbereitung der Vergabeentscheidung statt. Dabei sollen der Oberbürgermeister und der ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD entgegen dem Rat der Verwaltungsmitarbeiter ausschließlich für eine Vergabe an das Unternehmen des Mitangeschuldigten geworben haben, ohne eine Vergabe an andere Bewerber überhaupt in Betracht zu ziehen und die Einflussnahme des Unternehmers auf die Ausschreibung offenzulegen. Auch aufgrund dieses Einsatzes des Oberbürger-meisters und des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden soll die Entscheidung der Vergabe zugunsten des angeschuldigten Unternehmers gefallen sein. Dabei besteht der Verdacht, dass sich der ehemalige Fraktionsvorsitzende auch deshalb so stark für das Unternehmen des Mitangeschuldigten eingesetzt hat, weil er bereits bei dem Kauf einer Eigentumswohnung 2009 von diesem einen Nachlass von rund 55.000 EUR erhalten haben soll und ihm im Falle des Kaufs einer weiteren Eigentumswohnung im Nibelungenkasernenareal ein Nachlass von rund 89.000 EUR in Aussicht gestellt worden sein soll.
Für den Tatbestand der Bestechlichkeit ist es nach der Rechtsprechung des Bun-desgerichtshofs (Az. 5 StR 138/01) ausreichend, dass der Amtsträger auf Grund seiner Stellung und Kompetenz jedenfalls praktisch auf eine Entscheidung Einfluss nehmen kann, auch wenn er für diese nicht (allein) zuständig ist. Bestechlichkeit liegt auch vor, wenn der Amtsträger die Vorteile nicht für sich, sondern für einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.
Wegen dieses Tatkomplexes wird dem Oberbürgermeister Bestechlichkeit in Tat-einheit mit zwei wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen vorgeworfen, dem Unternehmer und seinem ehemaligen Angestellten jeweils Be-stechung in Tateinheit mit zwei wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen und dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Beihilfe zur Be-stechlichkeit in Tateinheit mit zwei wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen. Täter einer Bestechlichkeit kann der ehemalige Fraktionsvorsit-zende nicht sein, weil er kein Amtsträger im Sinne des Gesetzes war.

2. Rechenschaftsberichte
Jeweils im Januar der Jahre 2012 bis 2016 übermittelte der Oberbürgermeister insgesamt fünf Rechenschaftsberichte des SPD-Ortsvereins Stadtsüden für das zuvor abgelaufene Jahr, die in den Rechenschaftsbericht der SPD eingingen, der dem Präsidenten des Deutschen Bundestages vorzulegen ist. Die vom Oberbür-germeister abgegeben Rechenschaftsberichte enthielten jeweils die gestückelten Einzelspenden und die Namen der „Strohmänner“. Es besteht daher der für eine Anklageerhebung hinreichende Verdacht, dass der Oberbürgermeister dadurch unrichtige Angaben über die Einnahmen der SPD bewirkte, um die Herkunft der Mittel zu verschleiern, weil er wusste, dass alle Spenden vom mitangeschuldigten Unternehmer stammten und ihm im Hinblick auf seine Amtsstellung zugewandt worden waren, wodurch sich eine Annahme ohnehin verbot. Es besteht ferner der Verdacht, dass der Unternehmer und dessen ehemaliger Angestellter dies ebenfalls wussten und billigten.
Deswegen werden dem Oberbürgermeister und dem Unternehmer jeweils fünf Fälle des Verstoßes gegen das Parteiengesetz als Mittäter vorgeworfen und dem ehemaligen Angestellten des Unternehmers Beihilfe hierzu.


3. Kreditgewährung durch die Sparkasse Regensburg
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde im Februar 2016 dem Un-ternehmer von der Sparkasse Regensburg ein Kontokorrentkredit über 4,5 Millionen EUR zu einem Zinssatz von 0,6 % und einer Bearbeitungsgebühr von 0,5 % ausgereicht; auf förmliche Sicherheiten wurde verzichtet. Zwischenzeitlich ist das Darlehen vollständig zurückgeführt. Da der Unternehmer selbst Mitglied des Ver-waltungsrats der Sparkasse Regensburg war, musste nach den bestehenden Regeln der Kredit- und Personalausschuss der Kreditausreichung vorher zustimmen. Dies tat der Oberbürgermeister als Vorsitzender des Kredit- und Personalausschusses der Sparkasse auch. Es besteht der für eine Anklageerhebung hinreichende Verdacht, dass der Oberbürgermeister seine Zustimmung aufgrund der vom Unternehmer bereits erhaltenen und in Aussicht gestellten Zuwendungen erteilte – was auch dieser gewusst und gebilligt haben soll. Deswegen wird dem Oberbürgermeister Vorteilsannahme und dem Unternehmer Vorteilsgewährung vorgeworfen.


4. Bebauung Roter-Brach-Weg
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft besteht ferner der für eine Ankla-geerhebung hinreichende Verdacht, dass der Oberbürgermeister der Stadt Re-gensburg auf das im Januar 2016 vom Stadtrat beschlossene Verfahren zur Ände-rung des Bebauungsplans und Prüfung der Möglichkeit einer Wohnbebauung be-treffend ein Grundstücks des Unternehmens des Mitangeschuldigten in Regensburg, Roter-Brach-Weg/Wernerwerkstraße, in pflichtwidriger Weise Einfluss nehmen sollte. Hierfür wurde ihm – so der Tatverdacht – im November 2016 von dem Unternehmer die Zahlung von 200.000 EUR an ihn persönlich in Aussicht gestellt.
Deswegen wird dem Oberbürgermeister Bestechlichkeit und dem Unternehmer Bestechung vorgeworfen.


5. Anklageerhebung, Strafandrohungen und weiteres Verfahren
Auf der Grundlage dieses Sachverhalts hat die Staatsanwaltschaft Anklage zur Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Regensburg gegen die genannten vier Personen erhoben. Gegen drei dieser Personen wurden im Januar 2017 Untersu-chungshaftbefehle erwirkt, deren Vollzug seit Februar/März 2017 ausgesetzt ist.
Die Erhebung der Anklage steht nicht im Ermessen der Staatsanwaltschaft. Vielmehr ist Anklage zu erheben, wenn eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht, also eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch. Hiervon geht die Staatsanwaltschaft nach dem Ergebnis der Ermittlungen aus. Nunmehr prüft das Landgericht Regensburg in einem Zwischenverfahren, ob dieser von der Staatsanwaltschaft angenommene hinreichende Tatverdacht besteht und das Hauptverfahren mit (grundsätzlich öffentlicher) Hauptverhandlung zu eröffnen ist. Erst in einem Hauptverfahren kann verbindlich festgestellt werden, ob der in der Anklage geschilderte Sachverhalt zutrifft. Dies gibt Anlass daran zu erinnern, dass bis zur Rechtskraft eines möglichen verurteilenden Urteils im Strafverfahren auch weiterhin die Unschuldsvermutung für alle Angeschuldigten gilt.
Die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer ergibt sich aus der Annahme der Staatsanwaltschaft, dass auch ein hinreichender Tatverdacht wegen wettbe-werbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen besteht.
Die Strafandrohung für Bestechlichkeit reicht gemäß § 332 Absatz 1 Strafgesetz-buch im Normalfall von 6 Monaten bis 5 Jahre und für Bestechung gemäß § 334 Absatz 1 Strafgesetzbuch im Normalfall von 3 Monaten bis 5 Jahre Freiheitsstrafe. Wegen des großen Ausmaßes des erlangten Vorteils geht die Anklage jeweils von besonders schweren Fällen der Bestechlichkeit bzw. Bestechung aus, für die § 335 Strafgesetzbuch Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren androht. Im Falle der Beihilfe reicht der Strafrahmen von 3 Monaten bis 7 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe. Die Strafandrohung für wettbewerbsbeschränkende Absprachen gemäß § 298 Absatz 1 Strafgesetzbuch reicht von Geldstrafe bis fünf Jahre Frei-heitsstrafe; für Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung beträgt der Strafrahmen Geldstrafe bis drei Jahre Freiheitsstrafe; denselben Strafrahmen sieht auch § 31d Absatz 1 Parteiengesetz für das Bewirken unrichtiger Angaben in einem beim Präsidenten des Deutsche Bundestages eingereichten Rechenschaftsbericht vor.
Mit der Erhebung dieser Anklage ist der Gesamtermittlungskomplex nicht abge-schlossen. Vielmehr sind noch weitere Ermittlungsverfahren wegen anderer Sach-verhalte gegen verschiedene Personen anhängig. Wann diese Ermittlungsverfah-ren abgeschlossen sein werden, kann derzeit noch nicht beurteilt werden.

gez. Oberstaatsanwalt Theo Ziegler, Pressesprecher