Der politische Frühschoppen beschließt den Gillamoos in Abensberg

Die SPD lud ins Festzelt Härteis (Foto: br-medienagentur)Die SPD lud ins Festzelt Härteis (Foto: br-medienagentur)
In Abensberg gehört der Gillamoos zur kulturellen Tradition. Der weit über die Grenzen von Niederbayern bekannte, fünf Tage dauernde Jahrmarkt zieht täglich tausende Besucher an, die in den verschiedensten Festzelten bei Bier, Hendln und anderen Leckereien für ein paar Stunden den Alltag vergessen wollen und beim Bummel vorbei oder verbleibend an den vielfältigen Verkaufsständen sich mit dem einen oder anderen Ratsch über örtliche und bayernbewegende Themen unterhalten wollen. Spannend wird es doch tatsächlich am letzten Tag des Jahrmarkts, denn dann ist der absolute Ausnahmezustand im Städtchen Abensberg angesagt. Zum „politischen Frühschoppen“ am Montag treten regionale und sogar bundesweit bekannte Redner*innen der demokratischen, aber auch antidemokratischen, Parteien in Festzelten oder in der Nähe des Festgeländes vor ihren Anhänger*innen auf.
v.l.: Friedrich Merz -CDU-, Dr. Markus Söder -Bayerischer Ministerpräsident-, CSU-Landtagsabgeordnete Petra Högl sowie Martin Neumeyer, Landrat des Landkreises Kelheim (Foto: Daniel Neumann)In Anbetracht der im Oktober stattfindenden Landtagswahl und den brisanten Flugblatt-Vorkommnissen um den bayerischen Vize-Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Vorsitzender der Freien Wähler) sowie dem im Vorfeld dazu gemachten „halbherzigen“ Zugeständnisses des Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder (CSU) an seinem Vize festzuhalten, fanden sich laut Auskunft der Polizei rund 8.000 Interessierte ein, um sich bei den markigen Worten der Politiker*innen selbst ein Bild machen zu können.
Söder, nicht zuletzt wegen seiner bei der Opposition im Landtag unverständlichen Entscheidung die „Causa Aiwanger“, salopp gesagt, herunterzuspielen, steht zurzeit im Fokus Andersdenkenden. Jedoch, staatsmännisch und freundlich wie eh und je lässt er sich beim Einzug ins Festzelt feiern. Mit seiner Rede bleibt er bei den Themen, die er bei jedem Wahlkampfauftritt vorbringt, vor allem kritisiert er die zurückliegenden Regierungsentscheidungen, vermeidet aber auf Aiwanger einzugehen. Nur in einem, im Beifall fast untergehendem Nebensatz, betont der Ministerpräsident, dass die endgültige Entscheidung wie es weitergehen soll, doch ihm obliege. Nach einer Stunde beendete Söder seine Gillamoos-Rede, bekam aber noch Unterstützung vom Bundesvorsitzenden der Schwesterpartei CDU, Friedrich Merz. Er betritt die Bühne vor Söder, streift das Thema „Aiwanger“ nur am Rand, indem er meint, Söder habe mit seiner Entscheidung die Angelegenheit „bravourös gelöst“. Ein Seitenhieb geht von Merz noch Richtung Medien. Er formulierte es als „Bitte“, dass die Medienschaffenden ein „breiteres Meinungsspektrum“ der Leserschaft bieten müssten.
 
Die Redner*innen der regierenden Ampel-Koalition sprachen eine andere Sprache. Söders Schmusekurs mit dem „vergesslichen“ Aiwanger macht verständnislos.
SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn (links) mit dem Parteivorsitzenden der Bundes-SPD, Lars Klingbeil (Foto: br-medienagentur)Im vollbesetzten Festzelt, in das die SPD eingeladen hatte, wurde man deutlich. Florian von Brunn, Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion und Vorsitzender der Bayern-SPD sowie deren Spitzenkandidat für die Landtagswahl, nahm kein Blatt vor den Mund. In seiner feurigen Ansprache – oft unterbrochen von anhaltendem Applaus – ging er ohne Abschweife auf Aiwanger und dessen Verfehlungen ein, nicht nur wegen der Flugblatt-Affäre, sondern auch bezüglich seiner Wortwahl bei Wahlkampf- und anderen Veranstaltungen. Er bezeichnete den Vize-Ministerpräsidenten als „rechtspopulistischen Geisterfahrer“ und beschwor „seine“ Wählerschaft daran zu denken, dass „so ein Mann nicht länger die Hände am Lenkrad Bayerns haben darf“. Es ginge dem Vize gar nicht um das Wohl der bayerischen Bürger*innen, sondern nur um Machterhalt, wie sonst könne man seine nichtssagenden und ausweichenden Antworten des Fragenkatalogs der Staatskanzlei erklären. Von Brunn betonte, dass man die aufgedeckte Flugblatt-Affäre nicht als dummen Jugendstreich abtuen darf, wie es der Ministerpräsident sieht, sondern, dass das alles nicht normal sei und deswegen rechtsradikal einzustufen wäre.
Er nahm aber auch Bezug auf die Themen der Landes-SPD und deren wichtige Rolle als Opposition im bayerischen Landtag. Langanhaltender Applaus begleitete Florian von Brunn von der Bühne, die dann Lars Klingbeil, neben Saskia Esken Vorsitzender der Bundes-SPD, betrat. In seiner Art, norddeutsch eher zurückhaltend, verwies er auf die Erfolge der Bundes-, aber auch der bayerischen Landes-SPD. (Lesen Sie dazu auch den Bericht „Generalsekretärin Ruth Müller fand klare Worte“.)
Aber auch Lars Klingbeil ließ die „Causa Aiwanger“ nicht außen vor. Er zeigte Unverständnis für die Entscheidung und vor allem die Begründung des Ministerpräsidenten, seinen Vize weiterhin im Amt zu halten. Klingbeil hält beispielsweise Aiwangers Entschuldigung für unglaubwürdig, denn, „wenn ich demütig darauf zurückschaue und die Entschuldigung auch ernsthaft meine, lass ich mich nicht gleichzeitig in Bierzelten feiern und zum Opfer stilisieren“.
Zum Abschluss dankte der SPD-Vorsitzende für die Einladung zum Gillamoos, die er gern angenommen habe. „Es ist mir eine große Ehre, an einem so wichtigen Termin, vor allem kurz vor der Landtagswahl, teilzunehmen.“
 
Auch andere Mitglieder*innen der Parteien in der großen Koalition im Bund meldeten sich beim Gillamoos zum Thema „Aiwanger“ zu Wort.
Ludwig Hartmann, Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen (Foto: br-medienagentur)Ludwig Hartmann, Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen (Foto: br-medienagentur)So beispielsweise der Spitzenkandidat der bayerischen Grünen, Ludwig Hartmann. Er bezichtigte Söder und Aiwanger stünden für alles, nur nicht für Bürgerlichkeit und Anstand. Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen in Bayern, Katharina Schulze, forderte von allen Demokratinnen und Demokraten klare Kante gegen jeglicher Form von Antisemitismus und Rassismus zu zeigen, auch wenn betreffende Personen „an der Spitze des Freistaats stehen“. Sogar Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden Württemberg und „Grüner“, schimpfte in seiner Rede los und zeigte für die Aussage Aiwangers in Erding, wo er auch die berüchtigten Worte „die haben doch den Arsch offen“ der Regierung in Berlin vorwarf, dass man sich die Demokratie zurückholen müsse, die Aiwanger jedoch an die Macht gebracht hätte, als sehr gefährlich ansehen muss.
Martin Hagen, Landesvorsitzender der FDP Bayern und deren Spitzenkandidat nannte das Flugblatt „niederträchtig“ und sieht Aiwanger als trotzigen Rebellen, der in Bierzelten nur schreien könne und sich seinen Anhängern als Opfer einer Kampagne gegen ihn darstellen würde. Und Alexander Muthmann, Landtagsabgeordneter der FDP bezeichnete Aiwanger gar als einen „rücksichtslosen Populisten“.
 
Und mitten unter den anderen Festzelten begrüßen die Freien Wähler „ihren Hubsi“ mit tosendem Applaus. Und damit auch alle, wirklich alle, die keinen Platz mehr im Zelt gefunden hatten, die Rede von Aiwanger (Freie Wähler) mitanhören konnten, schallt dessen Stimme von einem Lautsprecher über den gesamten Festplatz, nicht bei allen Besucherinnen und Besuchern der Imbiss- und Verkaufsstände zur Freude, sondern eher missmutig zur Kenntnis nehmend.
Aiwanger ist zurückhaltender in seiner Rede, keine Rede von „Schmutzkampagne“, „Opfer“, „Verunglimpfung“, „Hexenjagd durch die Medien“ oder gar, dass sich eine schweigende Mehrheit „die Demokratie zurückholen“ müsse und, man höre und staune, kein Wort zu der ihn betreffenden Flugblatt-Affäre und den dazugehörenden Vorwürfen. Lediglich in einem Nebensatz bezieht sich der Vize des Ministerpräsidenten auf gerade eine „schwierige Zeit“ und bedankt sich für die Rückenstärkung aus den eigenen Reihen. Er klagt über das geplante Heizungsgesetz, das Selbstbestimmungsgesetz und das Zuwanderungschaos und fordert Steuersenkungen. Beifall war ihm gewiss. Was man in seiner Ansprache jedoch vermisste, war eine klare Distanzierung vom Rechtspopulismus. Stattdessen rief er seiner Anhängerschaft zu, dass man mit Überzeugung verhindern muss, dass die Bevölkerung sich den radikalen politischen Rändern zuwendet und, dass solche „komischen Parteien“ das Heft in die Hand bekommen.
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