Einblicke in die Entwicklung der russischen Gesellschaft der vergangenen 30 Jahren

Ausstellungsplakat zu „Und das Ende ist der Krieg. Das Bild wurde von Frank Gaudlitz bei seiner Reise 2017/18 im Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges in Moskau gemacht. (Foto/Grafik: © Frank Gaudlitz)Ausstellungsplakat zu „Und das Ende ist der Krieg. Das Bild wurde von Frank Gaudlitz bei seiner Reise 2017/18 im Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges in Moskau gemacht. (Foto/Grafik: © Frank Gaudlitz)
Bis zum 14. Juli 2023 zeigt das Europaeum der Universität Regensburg die Foto-Ausstellung „Und das Ende ist der Krieg“ des Fotokünstlers Frank Gaudlitz. Die Ausstellung zeigt eine große Vielfalt der über mehr als drei Jahrzehnte entstandenen Bilder des Künstlers zum Thema „Russland“. Bei der Vernissage am Dienstagabend hatten die Besucher erstmals die Gelegenheit die Fotos im Oberen Foyer der Zentralbibliothek anzuschauen und mit dem Künstler selbst in Kontakt zu treten.
Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel im Gespräch mit Fotokünstler Frank Gaudlitz. (Foto: © Schmidt/Universität Regensburg)Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel im Gespräch mit Fotokünstler Frank Gaudlitz. (Foto: © Schmidt/Universität Regensburg)Dieser berichtete in seiner Einführung von der „Schockstarre“, die ihn mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine überkommen habe. „Ich war dreißig Jahre in diesem Land unterwegs und war sehr nah dran an den Menschen. Ich dachte, ich kenne das Land zumindest ein bisschen.“ Allerdings habe er schon bei seinen Reisen 2017/18 eine „größere Distanz“ wählen müssen, weil „der aufgeblasene Patriotismus mich verunsichert hat, was dazu führte, dass ich die Sympathie für die Menschen, die ich in den 90er-Jahren in mir getragen habe, nicht wiederfinden konnte.“ Als Reaktion habe er versucht eine neue Formsprache in seinen Bildern zu finden und an Orte zu gehen, an denen ein solches „patriotische Bildvokabular“ bemüht wurde, das aus der kommunistischen Ära adaptiert scheint.
Der inhaltliche Schwerpunkt dieser Arbeiten steht daher im Spannungsfeld von Inszenierung und Realität. Ganz bewusst bewegte er sich auf ideologische und touristische Klischees der russischen Gesellschaft zu und suchte Orte auf, in denen eben dieses patriotisches Bildvokabular bemüht wurde. Seit Beginn des Angriffskrieges hat Gaudlitz seine Reisen nach Russland eingestellt. Für ihn sei es „unmöglich geworden, in Russland zu fotografieren, während das russische Militär ukrainische Städte zerbombt“, so Gaudlitz. Stattdessen besuchte er 2022/23 die durch große Flüchtlingswellen vom Krieg betroffenen ehemaligen Unionsrepubliken Moldau, Georgien und Armenien, porträtierte Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und sprach mit ihnen über ihre schicksalhaften Wege. Diese Bilder sind noch bis zum 14. Juli erstmals in der Ausstellung im Oberen Foyer der Zentralbibliothek zu sehen.
Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel betonte in seiner Begrüßung, dass die Ausstellung durch den Angriff Russlands auf die Ukraine und die nach wie vor schrecklichen Bilder des Krieges eine ganz neue Bedeutung und Relevanz bekommen habe. „Gerade im Kontext des Krieges ist es wichtig, die Entwicklung vor Beginn des Krieges aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Es liegt in unserer gesellschaftlichen Verantwortung, die Diskussion und die Auseinandersetzung mit den gesellschaftspolitischen Entwicklungen anzustoßen und dabei vor allem das Land und die Menschen vor Ort in Russland im Blick zu behalten“, so Prof. Hebel. Die Ausstellung richte sich daher ganz gezielt an die breite Öffentlichkeit.
Peter Küspert, Vorsitzender des Universitätsrats und 2. Vorsitzender des Vereins „Freunde der Universität Regensburg“ (FdUR) bedankte sich bei Frank Gaudlitz dafür, dass er die Entwicklung der vergangenen Jahre in Russland mit seinen Bildern festgehalten habe. Die Universität, das Leibnitz Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) und das Europaeum haben dadurch die Möglichkeit mit dieser Ausstellung neben ihrer Kernaufgabe von Forschung und Lehre in die Gesellschaft hinein zu wirken. „Sie werben für Rationalität im Denken und Handeln, für Toleranz und für die Anerkennung der Menschenwürde. Hierfür braucht es besonders eindringliche Ausdrucksformen, um den Unterschied zwischen Schein und Wirklichkeit aufzuzeigen und zu zeigen wohin politischer Dogmatismus und Gleichschaltung ein Land und eine Gesellschaft führen können.“ Genau dies zeige die „soziale Betrachtung“ von Frank Gaudlitz Bildern.
Prof. Dr. Ger Duijzings, Sprecher des Direktoriums des Europaeum, zeigte sich beeindruckt von den Bildern des Fotokünstlers. Die Ausstellung zeige sehr gut die unterschiedlichen Lebensbedingungen und Probleme der Bürger Russlands ab dem Ende der 80er- und zu Beginn der 90er Jahre. Es erinnere ihn sehr stark an seine persönlichen Erfahrungen aus dieser Zeit im ehemaligen Jugoslawien, bevor dort der Krieg ausgebrochen sei. „Ich war dort Augenzeuge von ähnlichen Entwicklungen, die ich auf diesen Fotos wiederfinde.“ Man könne die Gleichschaltung und Militarisierung der Gesellschaft, die Vernichtung politischer Alternativen und das „unter den Teppich kehren“ von sozialen Problemen sehr gut auf den Bildern erkennen. „Die Ausstellung gibt eine beeindruckende Einsicht in eine Gesellschaft, die sich in Richtung Krieg bewegt hat“, so Prof. Duijzings.
Die Ausstellung ist noch bis zum 14. Juli 2023 im Oberen Foyer der Zentralbibliothek der Universität Regensburg zu sehen. Der Eintritt ist kostenfrei.
 
Begleitprogramm zur Ausstellung
Vortrag von Dr. Corinna Kuhr-Korolev (ZZF Potsdam)
„Die russische Gesellschaft zwischen Patriotismus, Anpassung und Widerstand.“
(in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung):
Ort: Evangelisches Bildungswerk, Am Ölberg 2, 93047 Regensburg
Datum/Uhrzeit: Dienstag, 27. Juni 2023, 19 Uhr
Vortrag von Dr. Rainer Wedde (Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain, Co-Sprecher der Fachgruppe Recht der DGO)
„Russische Kriegsverbrechen in der Ukraine" (Weitere Infos hier) (in Kooperation mit dem Institut für Ostrecht)
Ort: Wissenschaftszentrum Ost- und Südosteuropa, Raum 017 (EG), Landshuter Str. 4, 93047 Regensburg
Datum/Uhrzeit: 20. Juni 2023, 18 Uhr
Zoom-Link
Meeting-ID: 662 1216 6454
 
 
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Universitätsstraße 31
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